Unter Strom
Dies Academicus, 15.05.2019. HS III
Energie begleitet uns von A wie Agrarwissenschaft bis Z wie Zoologie; sie ist lebensnotwendige Grundlage und gefragt wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Ihre Gewinnung und ihr Verbrauch bestimmen unsere täglichen Rahmenbedingungen; dies wiederum fordert Politik, Wirtschaft, Technik und Grundlagenforschung zu Einschätzungen aktueller und künftiger Zustände heraus. Energie ist ebenso eine natürliche Ressource wie Menschenwerk. Sie beschäftigt uns intellektuell, sozial und auch in religiösen Dimensionen. Die Vorträge des Nachwuchs-Forums ‚Unter Strom‘ gehen diesen Facetten aus unterschiedlichen Fachperspektiven nach. Beteiligt sind junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus den Disziplinen Agrarwissenschaft, Astrophysik, Geographie, Philosophie, Soziologie, Theologie und Zoologie.
Betreuer und Betreuerinnen der vortragenden Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen:
Prof. Dr. Gerhard von der Emde (Zoologie) / Prof. Dr. Christoph Horn (Praktische Philosophie und Philosophie der Antike) / Prof. Dr. David Kaldewey (FIW/Wissenschaftsforschung) / Prof. Dr. Britta Klagge (Wirtschaftsgeographie) / Prof. Dr. Ralf Pude (Agrarwissenschaften) / PD Dr. Oliver Wintzek (Dogmatik)
Hier finden Sie den Flyer und das Plakat dieser Veranstaltung.
Programm
Ohne Zweifel war der Gottesglaube über Jahrhunderte maßgeblicher Rahmen der Lebensentfaltung des Menschen, zugleich äußeres Gesetz und innerer Antrieb – im Guten wie im Schlechten. Und noch im Kontext unserer weitestgehend säkularisierten Gesellschaft schöpfen unzählige Menschen Kraft und Trost aus der vertrauensvollen Annahme eines göttlich gestifteten Sinns und Ziels des Lebens, erfahren ihren Glauben als Quelle der Energie für ihr tägliches Handeln. Soll diese Gotteshoffnung mehr sein als ein (im besten Fall) positives Lebensgefühl oder eine (im schlechtesten Fall) naive Vertröstung auf jenseitiges Glück, bedarf es einer rational verantworteten Theologie, die die verschiedenen Gottesanwärter auf ihre Glaubwürdigkeit prüft.
Was in der gefühligen Rede von einer „göttlichen Energie“ oder „Kraft Gottes“ zunächst nur als subjektive Erfahrung fassbar ist, wird in der theologischen Reflexion diskursfähig und kann so in die gesellschaftlichen Deutungsprozesse eingebracht werden. Plädoyer für eine bescheidene Theologie mit Relevanzanspruch.
Galaxien sind Rudeltiere. Sie sammeln sich in Galaxienhaufen, da sie einander mit ihrer Masse anziehen. Doch Galaxienhaufen selbst entfernen sich immer weiter voneinander. Besser gesagt, der Raum zwischen ihnen dehnt sich aus, und das immer schneller. Die etablierte Urknalltheorie beschreibt dieses Phänomen mithilfe der dunklen Energie. Bis heute ist jedoch ungeklärt, ob diese Energieform einer kosmologischen Konstanten gleicht und woraus sie besteht. Mein Vortrag erläutert zunächst, was Energie im physikalischen Sinne bedeutet. Es folgt eine kurze Einführung in die allgemeine Relativitätstheorie und den daraus hervorgehenden Zusammenhang zwischen Energie und Raum-Zeit-Krümmung. Damit wird deutlich, wie dunkle Energie die Ausdehnung des Weltalls antreibt. Später geht es darum, wie sich die beschleunigte Ausdehnung des Weltalls beobachten lässt. Abschließend werden einzelne Erklärungsversuche für die Existenz der dunklen Energie vorgestellt, um etwas Licht ins Dunkle zu bringen.
Lebewesen benötigen Energie für alles, was sie tun. Nährstoffe versorgen den Körper mit chemischer Energie, die in Wachstum und Aktivität umgesetzt wird.
Jedes Lebewesen investiert außerdem Energie für die Orientierung in und Interaktion mit seiner Umwelt. Viele Organismen nutzen Licht als Energiequelle zur optischen Wahrnehmung ihrer Umgebung. Einige Tiergruppen erzeugen Energie, um sich zu orientieren, wie z.B. Fledermäuse, die Ultraschallwellen aussenden und empfangen. Verschiedene aquatische Tiere, wie Haie und Rochen, können elektrische Energie in Form von schwachen elektrischen Feldern, die von Organismen oder der Umwelt ausgehen, wahrnehmen. Besonders spezialisierte Fische, wie der afrikanische Elefantenrüsselfisch, sind zudem zur aktiven Aussendung schwacher elektrischer Ströme befähigt, um sich zu orientieren, Futter zu finden und mit Artgenossen zu kommunizieren. Dieser als ‚aktive Elektroortung‘ bezeichnete Mechanismus ist Vorbild für Bionik-Forschungsprojekte an der Universität Bonn.
Materialien kosten Energie – in Herstellung, Transport und in der Entsorgung. Um die Umweltbelastung durch den Ge- und Verbrauch von Materialien zu minimieren, müssen Stoffe entwickelt werden, die mit möglichst kleinem Energieaufwand lokal produziert werden können und noch abbaubar bleiben. Nachwachsende Rohstoffe können einen Teil der Energieanforderung auf die natürliche Sonnenenergienutzung umlegen und damit zum Klima- und Umweltschutz beitragen. Aus diesem Grund werden an der Landwirtschaftlichen Fakultät Biomassen erforscht, welche aus pflanzenbaulichen und verarbeitungstechnischen Gesichtspunkten eine gute Eignung für die Entwicklung von nachhaltigen Produkten aufweisen. Ein Anwendungsbeispiel dafür sind bindemittelfreie Faserplatten aus regional angebautem Miscanthus (China-Schilf). Die Kulturpflanze wird am Campus Klein-Altendorf als schnellwachsende und mehrjährige low-input Biomassequalle angebaut und gezielt mechanisch zu Baustoffplatten aufbereitet. In meinem Vortrag möchte ich dieses Projekt vorstellen.
Die Verfügbarkeit von Energie als Brennstoff, Elektrizität und Wärme ist eine der Grundlagen unserer modernen Gesellschaft. Während der Aufstieg der Industriegesellschaften eng mit der Nutzung fossiler Energieträger verbunden ist, gilt die Umstellung der Energieversorgung hin zu erneuerbaren Energien als einer der wichtigsten Bausteine für nachhaltigere und klimafreundlichere Städte. In der Theorie soll diese Transition durch eine Zusammenarbeit verschiedener Akteursgruppen getragen werden, in der Praxis hingegen prallen wirtschaftliche und politische Interessen aufeinander, wenn es darum geht, diesen Wandel zu initiieren und zu gestalten. Mein Vortrag zeichnet die Konflikte um eine nachhaltigere Energieversorgung in der Stadt Hamburg seit den 1980er Jahren nach. Es wird gezeigt, wie verschiedene technologische Optionen mit Akteurskoalitionen verknüpft sind und dass die Institutionalisierung der Energiewende eine Frage politischer Machtkonstellationen und geschickter Strategien ist.
Es ist weder selbstverständlich, noch zufällig, Natur in Energiebegriffen zu denken. In einer Welt, in der Energiepolitik sich an einer Energiewende mithilfe von Energiemärkten versucht, muss der Energiebegriff erst wieder verlernt und das Fragen nach ihm motiviert werden. In meinem Beitrag versuche ich zu zeigen, wie ,energetisches‘ Denken im Arbeiten mit der Natur entstanden ist und was es für das Arbeiten an der Natur bedeutet hat. Im Mittelpunkt meiner Untersuchung stehen unterschiedliche Technologien und die Beschreibungen des wirtschaftlichen Effektes von ,Naturkräften‘, die sie jeweils ermöglichen. Von der Brennstoffforschung des neunzehnten Jahrhunderts, über die Elektrotechnik der Jahrhundertwende zur heutigen Energiewirtschaft hat sich radikal verändert, was Energie in der und für die Gesellschaft sein kann.
Mein Vortrag wird das Problem der Willensschwäche behandeln, das nicht nur phänomenologisch gut greifbar ist, sondern bereits in der antiken Philosophie theoretisch fundiert und ausgiebig diskutiert wurde. Wir werden sehen, dass die Implikationen, die sich aus dieser sogenannten ,akrasia‘ ergeben, überaus groß sind. Das Phänomen ,Willensschwäche‘ zu verstehen, lässt es nicht nur zu, mehr über sich selbst und sein eigenes Verhalten zu erfahren, sondern führt auch zu großen Unterschieden hinsichtlich der Definition der Seele, der Seelenteile und der ethischen ,Verbesserung‘. Woher kommt die Trägheit, die es nicht zulässt, ein bereits als gut erkanntes Ziel zu verfolgen? Sind nur körperliche Widerstände im Spiel, oder handelt es sich um verschiedene Impulszentren in der Seele bzw. verschiedene Seelenteile, die unterschiedliche ,Anweisungen‘ geben? Welche Argumente sprechen für einen Intellektualismus sokratischer Art und welche Antworten finden sich beim ,mittleren‘ Platon? Hat Aristoteles eine bessere Begründung als seine Vorgänger oder können erst die hellenistischen Stoiker das Problem adäquat erklären?
PD Dr. Hedwig Pompe (Phil. Fakultät/Neuere deutsche Literatur; Arbeitsstelle Internationales Kolleg)
Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister (Kath.-Theologische Fakultät/Moraltheologie)
Prof. Dr. Annette Scheersoi (Math.-Nat. Fakultät/Fachdidaktik Biologie)