Schatten im Spotlight

Dies Academicus, 16.05.2018. HS II

Kein Licht ohne Schatten, kein Schatten, wo nicht auch Licht wäre: Die Vorträge unseres Forums richten ihre Spotlights auf das Verhältnis von Licht und Dunkelheit und die Zwischenzonen, die dem Leben im Schatten eigentümlich sind. Die dem Licht abgetrotzten Spezialisierungen von Pflanzen auf den Schatten interessieren die Biologie. Die Metaphorik des Schattens wird in Grundtexten der Philosophie und Theologie für die menschliche Erkenntnis- und Leidensfähigkeit herangezogen, sie inspiriert ebenso die poetische Gestaltung von literarischen Schattenwelten, in denen Tod und Leben einander begegnen.
Und was wäre ein Krimi ohne das bedrohliche Unwesen, das im Schatten der Protagonisten lauert?

Betreuer und Betreuerinnen der vortragenden Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen:
Prof. Dr. Marion Gymnich (Anglistik) / Prof. Dr. Christoph Horn (Philosophie) / Prof. Dr. Ralf Pude (Agrarwissenschaften) / Prof. Dr. Markus Saur (Evangelische Theologie) / Prof. Dr. Thomas A. Schmitz (Klassische Philologie)

Hier finden Sie den Flyer und das Programm dieser Veranstaltung.

Programm

Das platonische Höhlengleichnis gehört zum Standardrepertoire der philosophischen Schulbildung. Allegorisch wird im Dialog Platons Politeia dargelegt, was es bedeutet, vom bloßen Meinen zu Wissen zu gelangen. Der Aufstieg eines Philosophen aus einer Höhle heraus an die helle Oberfläche oberhalb dieser Höhle dient als Gleichnis für den Erkenntnis- bzw. Lernprozess des Menschen. Die Motive des sich Lösens von den Ketten der Ignoranz und der letztlich mit Schmerzen verbundene Blick in die Sonne kolorieren dabei Platons Aussagen. Doch verbirgt sich mehr hinter diesem Gleichnis als die vage Darstellung eines Erkenntnis- bzw. Lernprozesses? Mit Blick auf verschiedene weitere Textstellen aus Platons Œuvre soll Licht in dieses dunkle Gleichnis gebracht werden: Welche Wissensgegenstände gibt es? Welche Wissensformen gibt es? Was heißt es, etwas zu wissen? Warum nimmt Platon den Umweg über die Darlegung eines Gleichnisses?

Ein frommer Mensch, eine sonderbare Wette mit Gott, Glück, das sich in Unglück wendet, und die schwierige Frage nach dem Grund für das erfahrene Leid – wer sich auf das Hiobbuch einlässt, den erwartet ein Klassiker herausragender Weltliteratur. Wie jedes andere schätzenswerte Werk stellt auch das alttestamentliche Weisheitsbuch Hiob seine Leserinnen und Leser vor gewaltige Herausforderungen. Exegetisch wie theologisch erweist sich das Buch als problematisch und umstritten. Hiob erzählt von den Schattenseiten des Lebens und konzipiert in diesem Zusammenhang auch den unnahbaren und unergründlichen Gott, aus dessen Schatten sich der Mensch nicht erheben kann. Meine Dissertation beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte des Buches und versucht den im Text aufgenommenen Diskurs zwischen der anthropologischen Grundfrage nach dem menschlichen Leid und der theologischen Grundfrage nach der Souveränität Gottes nach- und weiterzudenken. Der Vortrag lädt zu diesem Diskurs mit ein.

Auf der Erde existieren verschiedenste Lebensräume. So entstehen z. B. aus der Absorption, Reflexion oder Streuung der auftreffenden Strahlung unterschiedliche Lichtintensitäten und ‑spektren, durch die die Habitate stark geprägt werden. Pflanzen können aus dieser Strahlung zusammen mit Wasser und Mineralien durch Photosynthese Biomasse synthetisieren. Die Leistung der Photosynthese ist allerdings abhängig von der Verfügbarkeit der Strahlung und dem Metabolismus der jeweiligen Pflanze. Da Standorte mit optimalen Lichtverhältnissen begrenzt sind, haben Pflanzen Anpassungsmechanismen entwickelt, um unter unvorteilhaften Bedingungen wachsen zu können. Schattenpflanzen schaffen es, eben jene Nischen auszufüllen, in denen Licht ein Mangelfaktor ist und davon auch zu profitieren. In dem Vortrag soll am Beispiel des Bärlauchs gezeigt werden, wie eine an ihre beschattete Umwelt angepasste Pflanze in Kultur genommen werden kann und welche Besonderheiten dafür berücksichtigt werden müssen.

Wer kennt sie nicht: die blutsaugenden, mit langen Fangzähnen bestückten Kinder der Nacht, deren einziges Ziel das Stillen ihres doch unstillbaren Durstes zu sein scheint. Neben ihrer unersättlichen Gier nach Blut und ihrem untoten Dasein ist das Konzept des fehlenden Spiegelbildes und, damit oft einhergehend, des fehlenden Schattens ein weiterer Aspekt, der in Literatur und im Film häufiger Anwendung findet. Aber inwiefern sind Schatten, Spiegelbild und auch Doppelgänger von Interesse für die Darstellung der wandelnden Toten? Und welchen Zweck erfüllen sie?

Der Vortrag wird anhand von literarischen und filmischen Beispielen einen Einblick in besagte „Schattenwelt“ geben und mit Hilfe verschiedener theoretischer Ansätze, wie Jacques Lacans Spiegelstadium, darstellen, aus welchen Gründen der Vampir seines Schattens beraubt, ihm sein Spiegelbild versagt wurde und welche Rolle der in der Romantik geprägte Begriff des Doppelgängers dabei spielt.

Stellen Sie sich vor, Homer, Ezra Pound und Simon Armitage treffen sich in einer Poundland-Filiale (wie unsere 1€-Shops) in Sheffield, UK. Dort findet sich ein Buch von Ezra Pound, es wird für ein Pound verkauft, und der allererste Text, Canto I, liest sich wie der 11. Gesang, die sogenannten „Totenopfer“ der homerischen Odyssee, nur neu adaptiert. Kein Scherz! 2014 unterhält sich Simon Armitage in seinem lyrischen Poundland mit den zwei Herren der abendländischen Dichtung, indem er das homerische Haus des Hades im Pound‘schen Sprachstil als postmodernes Reich des Pluto adaptiert und somit einen gegenwärtigen Besuch in der Unterwelt schildert. Der Vortrag stellt ein multilaterales Schattenspiel vor, dessen Ausgangspunkt Odysseus Begegnung mit den Toten ist und welches in der postmodernen Welt des „cultural recycling“ weitergeht. Es wird gezeigt, wie ein Mythos sich durch Differenz und Wiederholung entwickelt, indem er jeden nächsten Text durchgeistert – als „echoes, citations, references“.

Hier geht es zum Centre for the Classical Tradition.

Die Bonner Autorin Judith Merchant liest aus ihrem Roman Die Lügen jener Nacht (Knaur 2014).

Als sie zur Hochzeit ihrer alten Studienfreundin geladen wird, ist Mimi zunächst skeptisch – hat sie doch den Kontakt lange sträflich vernachlässigt. Doch unerwartet herzlich wird sie im alten Bonner Freundinnenkreis aufgenommen, und spätestens nach der feucht-fröhlichen Junggesellinnenparty im nächtlichen Römerbad ist es, als sei sie nie fortgewesen. Am Hochzeitsmorgen erwacht Mimi mit einem furchtbaren Kater – und totalem Black-Out. Dann bringt ein entsetzlicher Todesfall alles ins Wanken. Misstrauen kriecht in die eingeschworene Gruppe, und langsam beschleicht Mimi ein furchtbarer Verdacht: Hat man sie nur zur Hochzeit eingeladen, um ihr einen Mord in die Schuhe zu schieben?

Priv.-Doz. Dr. Hedwig Pompe (Neuere deutsche Literatur; Arbeitsstelle Internationales Kolleg)

Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister (Katholische Theologie)

Prof. Dr. Annette Scheersoi (Biologie)

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